Es müssen nicht immer griechische Tempel oder irische Dolmen sein – auch Rügen ist ganz nett

Rügen ist eine Insel in der Ostsee und war lange Teil der Deutschen Demokratischen Republik. Seit der Wende ist die Insel auch dem Rest der Welt wieder zugänglich, und es lohnt sich. Nicht nur ist die Landschaft bezaubernd und die Ostsee fantastisch zum Schwimmen geeignet. Es gibt wohl auch kaum eine andere Ecke von Deutschland, die so zugepflastert ist mit Megalithgräbern.

Unsere Reise führte in den Osten der Insel und ich möchte euch gerne ein paar der Orte vorstellen, die wir dort besucht haben. Nach den germanischen Wikingern lebten hier slawische Stämme, denen wiederum christianisierte Sachsen folgten Daraus ergibt sich ein bunter indoeuropäischer Mischmasch.

Lancken-Granitz

Lancken-Granitz ist eine wahre Fundgrube an Megalithgräbern. Durch ein Feld zieht sich eine Kette von 7 Großdolmen aus der Jungsteinzeit wie eine Perlenschnur.

Jedes Grab ist von einem kleinen Hain umgeben. Der ist aber nicht etwa uralt, sondern war vom Kurfürsten als eine Schutzmaßnahme angeordnet worden. Dabei hat er nicht berücksichtigt, dass die Wurzeln der Bäume die schweren Steine aus ihren Positionen hebeln könnten. Heutzutage füllen die Archäologen die Gräber nach einer Ausgrabung wieder halb auf, damit die Steine ihre Position halten können. Hier ist dies aber nicht geschehen. Doch dank der Arbeit der ehrenamtlichen Bodenpfleger etc. sind die Stätten gut in Schuss und werden jährlich von überflüssigem Laub befreit.

Spannend ist, dass diese Gräber lange nach ihrer ursprünglichen Erbauung durch Angehörige der Trichterbecherkultur noch weiter als Grabstätten genutzt wurden, und zwar von den neuen Bewohnern der Insel, erst den Germanen und dann den Slawen.

Ich habe eines der Gräber für mein Lughnasadh-Ritual genutzt. Netterweise hat sich die ganze Zeit kein anderer Tourist blicken lassen, so dass Frey und ich ungestört waren. Dieses spezielle Grab ist noch abgedeckt, und tatsächlich kann man in den Hohlraum hineinklettern. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, wenn unser Tourguide, der uns die Gräber gezeigt hat, uns nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass das erlaubt ist. Es ist schon ein besonderes Gefühl gewesen.

Herzogsgrab

Eine Sage brachte den Lehrer und Heimatforscher Fritz Worm auf die Spur dieses Großdolmens, der heute in einem idyllischen Wäldchen aus vielen Ebereschen und anderen Bäumen liegt (und ein paar tausend Mücken). Da wir von der falschen Seite per Fahrrad amen, haben wir eine Weile danach gesucht. So richtig zielführend waren die Wegweiser nämlich nicht. Macht aber nichts, denn es ist eine schöne Gegend.

Bei Ausgrabungen Anfang des 20. Jahrhunderts fand man sowohl ein Brandgrab mit Urnen als auch die Skelette von 30-40 Personen mitsamt zahlreichen Grabbeigaben: Pfeilspitzen, Tongefäße mit Tiefstrichverzierung, Bernsteinschmuck, und Steinbeile aus der Jungsteinzeit. Bis in die Bronzezeit wurden hier Bestattungen vorgenommen.

Die eigentliche Grabkammer war von einem trapezförmigen 15 Meter langen Hühnenbett umgeben. Sie bestand aus 4 Tragsteinpaaren und 3 Decksteinen, von denen einer noch unversehrt ist.

Ziegensteine

Ganz in der Nähe der Hügelgräber von Lancken-Granitz findet man die Ziegensteine. Dabei handelt es sich um einen 35m langen Großdolmen mit einem trapezförmigen Hünenbett und 2 Wächtersteinen. Auch hier fanden sich neben typischen Funden der Trichterbecherkultur 7 Urnen slawischen Ursprungs. Die Ziegensteine wurden über 4000 Jahre als Grabstätte verwendet.

Arkona – Jaromarsburg

Die Jaromarsburg ist leider seit geraumer Zeit nicht mehr zugänglich und wird es wohl auch nicht mehr werden. Man kann sie sich nur von oben ansehen, indem man auf den daneben stehenden Peilturm klettert. Dann hat man aber eine spektakuläre Aussicht, die sich wirklich lohnt und wird zusätzlich mit Infotafeln im Turminneren belohnt.

Der Grund für die Sperrung ist die zunehmende Erosion, die dafür gesorgt hat, dass die Anlage schon auf ein Drittel geschrumpft ist. Die Jaromarsburg liegt direkt an der Abbruchkante, und logischerweise möchte man verhindern, dass sich dort unfreiwillig irgendwelche Touristen die Klippe hinunterstürzen. Menschenopfer sind auch hier aus der Mode gekommen.

Vom 9.-12. Jahrhundert hatten dort die Ranen, ein slawischer Stamm, eine Kultstätte, die dem Gott Svantevit geweiht war. Hinter zwei 13 m hohen Ringwällen befand sich ein hölzerner Tempel auf einer freien Fläche mit einer 4 m hohen Statue des vierköpfigen Gottes aus Eichenholz. Heutzutage gibt es in der Nähe zumindest eine moderne Nachbildung als Sandskulptur. Nachdem Rethra, das ursprünglich wichtigste religiöse Zentrum in der Gegend, im Jahre 1068 zerstört wurde, nahm Arkona mit der Jaromarsburg dessen Bedeutung ein. Hier fanden unter anderem Ernteorakel statt. Die gefundenen Opfergaben stammten nicht nur von Slawen.

Die Jaromarsburg ist unter anderem deswegen so beeindruckend, weil es die einzige Anlage dieser Art ist, von der man eine zeitgenössische Beschreibung hat, nämlich von Saxo Grammaticus.

Im Jahre 1168 oder 1169 wurde die Burg schließlich nach einer vierwöchigen Belagerung eingenommen. Aufgrund von Wasserknappheit konnte der Brand, den die Belagerer gelegt hatten, nicht gelöscht werden. Die Tempelburg wurde zerstört, und die Götterstatue ebenso.

Danach unterwarfen sich die Anführer der Ranen den dänischen Eroberern und Rügen wurde nach und nach doch christianisiert.

Svantevitstein Altenkirchen/Jaromarstein Bergen

Die beiden Steine, die sich im Gemäuer von Kirchen in Altenkirchen und Bergen befinden, zeigen eine Person, die ein Trinkhorn hält bzw. hielt, denn im Falle des Jaromarsteins in Bergen hat man das ursprüngliche Horn weggekratzt und darüber ein Kreuz gelegt. Eine Vermutung ist, dass es sich um einen Priester des Svantevit handelt, jenes vierköpfigen Gottes, der in der Jaromarsburg auf Kap Arkona verehrt wurde.

Der Svantevitstein wurde horizontal eingemauert im Durchgang zwischen Kirchraum und Sakristei/Waffenkammer. Waffenkammer? In einer Kirche? Ja, offenbar hatten die frühen Rüganer die Angewohnheit, mit voller Bewaffnung zur Messe zu gehen. Vor Beginn mussten sie ihre Waffen allerdings ablegen. Die horizontale Position des Steins wird vielfach so gedeutet, als wollten die damaligen Christen die Überlegenheit ihres Gottes gegenüber dem ‚umgefallenen‘ Priester andeuten.

Der Jaromarstein, benannt nach dem slawischen Fürsten, der sich letztlich den Dänen unterworfen hat, ist in der Außenmauer der St. Marienkirche zu finden. Eine weitere Deutung des Steins ist, dass es sich dabei um seinen Grabstein handeln könnte. Allerdings waren steinerne Grabsteine zu jener Zeit nicht üblich auf Rügen, und zweitens hätte der Gute dann gleich mehrere davon.

Königsstuhl – Herthasee, slawischer Ringwall

Der Wall, der am Herthasee einst eine slawische Burg umgeben hat, ist gewaltig. Ursprünglich war oben auf dem Wall noch eine hohe Palisade, wie man den Skizzen entnehmen kann. Heute sieht man nur noch einen Erdwall, mit Bäumen bewachsen, aber dieser ist immer noch so unglaublich hoch und langgezogen, dass man ihn kaum richtig erfassen kann. Ihn zu besteigen, ist allerdings nicht erlaubt.

Der Herthasee, so will es die Erzählung der Reiseführer, soll der See sein, in dem der Reisewagen der Göttin Hertha (alias Nerthus) nach ihrer Umfahrt gereinigt wurde, was Rügen zu der von Tacitus beschriebenen Insel macht. Am Ufer des Sees gibt es auch einen Opferstein passend dazu. Zu passend, denn tatsächlich stammt diese Verbindung der Nerthus-Geschichte mit dem See den kreativen Köpfen der Tourismusbranche des 19. Jahrhunderts. Der Opferstein wurde hierzu extra herbeigeschafft und mit rotbraunen Spuren versehen, um die Fantasie der Besucher zusätzlich anzuheizen.

Nichtsdestotrotz ist es ein beeindruckender Ort.

Für die Wikingerfans gibt es außerdem noch den Schatz von Harald Blauzahn zu bewundern. Teile dieses Schatzes wurden 2018 auf einem Acker auf Rügen ausgegraben. Man vermutet, dass es sich um die Reisekasse von Harald gehandelt haben könnte, die dieser auf der Flucht vor seinem Sohn Sven nach der verlorenen Schlacht von Helgenes (Bornholm?) vor circa 1000 Jahren zurücklassen musste. Sven, anders als sein Vater, ein Heide, ließ nach seinem Sieg alle Münzen mit der Prägung seines Vaters, systematisch aus dem Verkehr ziehen, so dass die Rügener Münzen großen Seltenheitswert haben. Im Museum von Sellin gibt es neben den Münzen auch Kopien verschiedener Schmuckstücke, darunter einen Thorshammer. Die Originale befinden sich in Schwerin.

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