Wie finde ich einen Gott – oder wie findet sie mich?

Zunächst mal vorab: Das ‚einen‘ steht da bewusst, denn hier geht es nicht um die christlichen Gott, Jahwe oder Allah, obwohl ihr die natürlich auch nehmen könnt, wenn ihr euch damit wohl fühlt.

Vielleicht bist du schon seit Jahren im Heidentum unterwegs, hast dich durch verschiedene Ansätze durchgearbeitet, aber noch nicht das Richtige gefunden und dir stattdessen überall etwas herausgepickt, bist aber auf der Suche nach mehr. Vielleicht bist du noch relativ neu, hast angefangen, die Jahreskreisfeste zu feiern, mit Kräutern, räuchern und Steinen zu experimentieren oder dir ein Runen- oder Tarotset besorgt.

In diesem Text geht es darum, die ganze Bandbreite der Götterwesen zu entdecken und herauszufinden, welche Götter und Göttinnen zu einem passen und von wem man sich vielleicht gerufen fühlt.

Aber wie? Da gibt es verschiedene Herangehensweisen.

Vielleicht hast du ja schon eine Tendenz? In dem Fall würde ich dir vorschlagen, einerseits möglichst alles zu lesen, was dir zu dieser Gottheit in die Finger kommt, vorzugsweise erst mal den belegten Kram, aber durchaus auch,welche Erfahrungen andere mit dieser Gottheit gemacht haben. Andererseits solltest du unbedingt selbst den Kontakt suchen, indem du

a) dieser Gottheit passende Geschenke machst (deswegen vorher auch die Leserei)

b) indem du dich kreativ mit ihr auseinandersetzt: die Gottheit malst oder aus Ton/Knete formst, ein Mosaik dazu gestaltest, Gedichte über sie schreibst…

c) in irgendeiner Form im Sinne dieser Gottheit tätig wirst: Kriegergott? Setz dich für eine gerechte Sache ein oder probiere einen Kampfsport. Göttin des Herdes? Koche, backe, probiere mal zu Stricken/Weben/Häkeln/Spinnen… Schicksalsgöttin? Beschäftige dich mit verschiedenen Orakelverfahren….

d) dich allgemein für sie öffnest und dieser Gottheit signalisierst, dass du Interesse an einer engeren Zusammenarbeit hättest und abwartest

Entweder funkt es oder eben nicht. Ich hatte eine zeitlang die Erwartung, dass es zwischen mir und der irischen Brighid aufgrund einiger Gemeinsamkeiten (Name, Haarfarbe, Interesse an Musik und Medizin….) eigentlich total harmonieren müsste. Ist aber nie was Näheres draus geworden. Tja…

Wenn du noch offen für alles bist, rate ich dir zu einem dieser beiden Verfahren:

Meine Glaubensgemeinschaft arbeitet mit dem kompletten indoeuropäischen Spektrum, von den griechischen Göttern über die vedischen, slawischen, baltischen, germanischen, nordischen, gallischen, walisischen, irischen, schottischen, römischen und noch so einige kleinere Ableger der indoeuropäischen Götterwelt. Am Anfang des Dedikantenpfads, einem freiwilligen Studienprogramm, im Rahmen dessen man sich damit auseinandersetzt, was der eigene Glaube bzw. der Weg von ADF eben bedeutet, steht die Aufgabe, sich eines dieser Götterpantheone auszusuchen und ein Jahr lang damit zu arbeiten. Dabei muss man nicht dabei bleiben. Es geht nur darum, einen Anfang zu machen und in die indoeuropäische Gedankenwelt einzutauchen.

Ich habe mich damals zunächst für die nordischen Götter entschieden, weil das naheliegend war. Da gab es reichlich Infos zu und sie standen mir näher als die griechischen oder vedischen Götter. Im Laufe dieses Jahres ist mir aber auch klar geworden, dass es nicht völlig passend ist. Manches finde ich gut, manches ist mir fremd geblieben. Also habe ich mich weiter umgeschaut und bin schließlich bei einer Mischung aus dem gallischen Pantheon und für meine Region belegten germanischen Göttern (Nehalennia, Vagdavercustis, Hercules Magusanus, Matronae Nersihennae…) gelandet. Ich hatte aber eine Grundlage, von der ich mich vorarbeiten konnte.

Eine andere Möglichkeit ist es, sich eine Liste von diversen Göttern und Göttinnen zu machen, die man kennt oder deren Namen man schon mal gehört hat. Es sollten am Ende ca. 52 Namen sein. Vielleicht googelst du auch einfach mal nach Götternamen. Alternativ kannst du hier im Werkelwald mein „Gottheit der Woche– Projekt“ als Vorlage nutzen. Jede Woche beschäftigst du dich nun mit einer anderen Gottheit und guckst mal, was passiert. Im Rahmen meines Projektes habe ich damals z.B. die irische Morrighan kontaktiert, aber wir werden nicht so richtig warm miteinander. Dafür habe ich Hekate für mich entdeckt, die ich vorher gar nicht so auf dem Schirm hatte und mein Faible für slawisch-baltische Götter. Der Vorteil hierbei ist, dass du dich nicht auf ein Pantehon festlegen musst und auch nicht auf einen Kontinent. Wenn dir ein paar asiatische oder afrikanische Götter über den Weg laufen, die dich faszinieren, dann immer her damit.

Vielleicht stellst du irgendwann auch fest, dass es für dich gar nicht so sehr ein spezieller namentlich bekannter Gott sein muss:

Vor einigen Jahrhunderten (nämlich während der Romantik) haben sich die Leute für Pan und Apollo begeistert, bzw.für Diana/Artemis und einzelne andere Gottheiten. Im Laufe der Zeit wurden diese Götter ihren Originalvorlagen jedoch immer fremder: Aus dem griechischen Gott Pan wurde eine Art Allroundgott der Natur. In seiner Welt war es immer frühlingshaft-sommerlich, alles war grün und schön und besser als in der Realität, in der immer mehr Leute in den Städten zusammenlebten und die Industrialisierung ihren Laut nahm. Pan wurde der gutaussehende Mustermann, der auch mal Gefühle zeigte und das Vorbild des modernen Mannes sein sollte. Übrigens nahm man irgendwann einen Tausch vor. Pan verschwand in der Versenkung und an seine Stelle trat manchmal Cernunnos. Ähnlich erging es den Göttinnen: Auch sie wurden vor allem nach den Büchern von Margret Murray und Robert Ranke Graves immer mehr verallgemeinert zur ultimativen Fruchtbarkeitsgöttin bzw. Dreifaltigkeit von Jungfrau-Mutter-Alte. Daraus entwickelten sich die Götter der Wicca und Hexenkults. Zwar wurden Gott und Göttin noch mit Namen bedacht, aber tatsächlich handelt es sich eher um generische Gottheiten, nicht mehr um die Ursprungsversionen.

Oder du bist der Typ für Archetypen? Du hast verschiedene Kategorien von Göttern für unterschiedliche Aufgaben, aber sie müssen nicht einen bestimmten Namen und den dazugehörigen Hintergrund haben. Es reicht dir ein Donnergott,, ein Fruchtbarkeitsgott, eine Göttin des Herdfeuers und die Konzepte, die sie vertreten (Wetter, Wachstum, Gastlichkeit…) Die Geschichten, die mit den jeweiligen Individuen verbunden sind, interessieren dich weniger. In dem Fall würdest du von manchen Leuten nicht als richtiger Polytheist betrachtet, sondern eine ‚weiche‘ Version, aber das kann dir ja egal sein. Das ist übrigens auch eine Version, mit der viele Agnostiker gut leben können.

Ein Beispiel für eine heidnische Ausrichtung, die sich mit Archetypen befasst, ist das sogenannte Waincraft.

Und andersherum? Wir findet eine Gottheit dich?

Wenn wir das so genau wüssten… Ich habe mir sagen lassen, dass man es merkt, wenn so eine Gottheit deine Aufmerksamkeit erregen will. In dem Fall liegt es dann an dir, den „Anruf anzunehmen“ und die Beziehung auszubauen.

Ich wäre sehr gespannt, von dir zu hören, wie deine Erfahrungen sind.

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