Der indoeuropäische Mythos vom Kampf zwischen dem Sturmgott und dem Drachen

Dieser Mythos taucht in den verschiedensten indoeuropäischen Kulturen auf. Bekannt ist der ewige Kampf zwischen dem nordischen Donnergott Thor und der Midgardschlange (Kind von Loki, dem Chaosstifter). Auch bei den Galliern gab es eine Variante, denn der Donnergott Taranis wird gelegentlich im Kampf mit einem Ungeheuer (Cernunnos als Gott der wilden, chaotischen Natur und Führer zur Unterwelt) dargestellt.

Ich  möchte euch heute die Geschichte von Perún und Veles erzählen, zwei slawischen Göttern. Perún ist der slawische Sturm und Blitzegott, Beschützer der Ackerbauern. Er wohnt oben im Weltenbaum (bei den Slawen ist das eine Eiche) und wacht von dort aus in Gestalt eines Raubvogels über die Ordnung in der Welt. Er bringt den Regen und sorgt dafür, dass die Erde fruchtbar sein kann. Er ist auch ein Kriegsgott, der von den Kämpfern angerufen wird.

Tief unten, an den Wurzeln des Weltenbaums ist das Reich von Veles. Er ist der Gott des Totenreichs, der Hirten und des Viehs. Er hat eine enge Verbindung zum Wasser und gilt als Gott des Handels und der Magie. Er ist auch ein Gestaltwandler: Häufig sieht man ihn in Form eines Drachen oder einer Schlange. Gerne ärgert Veles Perún, indem er sich auf die Erde schleicht und Perúns Vieh stiehlt.

So geschah es eines Tages: Veles schlich sich als Schlange aus seinem Reich unten am Weltenbaum und entführte einige Kühe von Perúns Herde. Dieser bemerkte jedoch, was Veles getan hatte und verfolgte ihn. Von seinem hohen Punkt oben im Weltenbaum konnte Perún gut sehen, wo sich Veles versteckte, und schleuderte mit Blitzen nach ihm. Veles flüchtete: Er versteckte sich unter Steinen, hinter Bäumen, Menschen und Häusern, er verwandelte sich in verschiedene Tiere. Perún fand ihn jedes Mal, traf aber nicht, den Veles war schnell.

Schließlich griff Perún zu einer List. Er flog hinab vom Baum und näherte sich ganz unauffällig Veles, der sich gerade in einen Hund verwandelt hatte. „Was für ein schöner Hund!“, rief Perún. „Na, du bist ja ein Braver, komm mal her, ich habe da was für dich!“ Und der Gott der Stürme holte ein Stückchen Fleisch aus seinem Beutel und hielt es dem Hund hin. Dieser war erst skeptisch, aber dann kam er näher und ließ sich füttern und streicheln.

Mit einem Mal packte Perún den Hund, hob ihn hoch über den Kopf und schleuderte ihn weit hinaus in den nächstgelegenen See, um ihn zu ertränken. Das ging natürlich nicht: Veles war ja auch der Gott des Wassers, und darum kehrte er durch den See einfach in sein unterirdisches Reich zurück. Vielleicht kennt ihr das auch aus einigen Märchen, in denen sich am Grund eines Brunnens oder Sees eine Tür verbirgt, durch die man in eine andere Welt kommt. Genau das hat Veles gemacht.

Perún aber war zufrieden: Er hatte den chaotischen Gegner und Dieb vertrieben und die Ordnung wieder hergestellt. „Dort ist dein Platz, bleib da!“, rief er Veles zu, als er zur Spitze des Weltenbaums zurückkehrte.

Und Veles blieb dort bis nächsten Mal, als er sich in eine Schlange verwandelte, seine alte Haut abstreifte und gewissermaßen neugeboren wurde.

 

Was will uns diese Geschichte nun sagen? Veles und Perún stehen hier nicht etwa nur als Gut und Böse. Besonders Veles ist zu vielschichtig, um auf diesen einfachen Gegensatz beschränkt zu sein. Vielmehr handelt es sich um den Kampf zwischen zwei gegensätzlichen Naturgewalten: Perún – Himmel, hitzköpfig/trocken, stürmisch und Veles – Erde und Wasser, eher magisch/kopflastig. Die Slawen hielten diesen Kampf für die Erklärung, warum es Gewitter gab und glaubten, wenn etwas vom Blitz getroffen wurde, dann habe sich Veles auf seiner Flucht vor Perún dort versteckt. Das Vieh in der Geschichte ist möglicherweise ein Symbol für den Regen: Veles ist der Gott des Wassers, Regen gehört aber dem Himmel. Regen wurde dringend benötigt, um die Felder zu bewässern. Insofern passt es, dass der Himmelsgott Perún auch der Gott der Ackerbauern ist. Wenn der Regen nun ausbleibt (weil er gestohlen wurde), dann droht Chaos in Form von Missernten und Hungersnöten. Indem Perún Veles verjagt, bringt er alles wieder in Ordnung und sorgt so für eine gute Ernte.

Die Slawen hielten diesen Mythos für so wichtig, dass sie ihn auch auf das Christentum übertrugen. Hier nahmen Gott und der Teufel die Stellen von Perún und Veles ein. Die beiden Götter wurden aber auch durch Heilige ersetzt. Interessanterweise scheint es dabei so zu sein, dass der vermeintlich negativ besetzte Veles als heiliger Nikolaus und Gabenbringer durchs Land zieht, der das Volk beschützt, während der ursprüngliche Held dieses Mythos, Perún, dem finsteren bedrohlichen St. Elias gleichgesetzt wird, der ebenfalls Bllitze schleudert. Nur, dass dies nicht mehr positiv bewertet wird.

Da unsere Nachbarstadt Geldern sich ja rühmt, dass dort St. Georg einen Drachen erschlagen habe, frage ich mich jetzt natürlich, ob es da vielleicht auch Verbindungen zu diesem Mythos gibt.

Für die Figur des Perún stehen auch noch andere Götter zur Verfügung. Möglicherweise wurde der jeweilige Haupt-Himmelsgott damit besetzt.

Wer mehr über slawische Mythologie wissen möchte, findet hier ein bisschen:

Mehr über slawische Mythologie (wie wissenschaftlich fundiert das ist, weiß ich allerdings nicht, aber die Götterstatuen sind sehr inspirierend)

Wikipedia – Slawische Mythologie

Bücher:

Puhvel, Jaan – Comparative Mythology

Jones, Prudence and Pennick, Nigel – A history of Pagan Europe

Quellen für Gebete, Ritualbausteine etc.

Hier möchte ich euch mal ein paar meine Quellen und Inspirationen vorstellen:

Ceisiwr Serith ist der Autor von A book of Pagan Prayer, A Pagan Ritual Prayer Book und Deep Ancestors. Auf seiner Website findet ihr auch weiteres Material zu Familienritualen und andere interessante Sachen. Ich hatte schon einiges von ihm gelesen, bevor ich wusste, dass er auch ADF-Mitglied ist. Keine Ahnung, wie man diesen Namen (er ist ein Psyeudonym) ausspricht, aber was er schreibt, ist absolut lesenswert. Übrigens gibt es bei Youtube auch einige interessante Videos, z.B. zum Thema Cernunnos von ihm.

Die Rituale der Solitary Druid Fellowship (SDP): Gibt es leider derzeit nicht mehr frei verfügbar. ADF-Mitglieder können über die Mitgliederseite noch an die Rituale kommen. Was es mit SDF auf sich hat, steht in diesem interessanten Artikel: ADF and SDF

Spiral Goddess ist die Website von Abby Willowroot mit einem riesigen Fundus an Gebeten für jede Gelegenheit.

PaganWiccan ist eine Seite, die sich ebenfalls mit Gebeten, Ritualen und Brauchtümern beschäftigt. Hier wird man zu jedem Jahreskreisfest fündig.

A Crane breviary Den Ausdruck ‚Brevier‘ kannte ich bis dahin nur von Don Camillo. 😉  Ein wunderbares Buch mit Ritualen zu den Jahreskreisfesten, Übergängen und Druid Moons. Alles mit dem Schwerpunkt Galllische Götterwelt und im Stil von ADF. Michael J. Dangler hat einen kleinen Schatz verfasst.

Wer spezifisch etwas zu den nordischen Göttern sucht, wird eher hier fündig: Asatruring Frankfurt  Gebete, Geschichten, Lieder etc. auf Deutsch. Auch Adventskalender zu manchen Jahreskreisfesten für Kinder findet man hier.

Etwas nüchterner und ernsthafter geht es hier zu: Eldaring. Ohne dem Asatruring etwas Böses zu wollen: Manchmal habe ich das Gefühl, dass man sich dort die Dinge passend gemacht hat. Das ist okay für den, der es weiß. Wer sich darauf allerdings als gute Quelle für germanische Ritualgeschichte bezieht, der ist weniger gut beraten.

Der Eldaring geht die Dinge etwas anders an und hat ebenfalls ein lohnenswertes Ritualbuch herausgebracht. Andreas Mang, eines der Mitglieder, hat ein sehr gutes Buch mit dem Titel Aufgeklärtes Heidentum

herausgebracht, das ich fast für Pflichtlektüre halte, wenn man sich als Deutscher mit dem Heidentum auseinandersetzen möchte. Ohne den Hauch des Esoterischen, der ja einen Großteil der einschlägigen Literatur umweht, geht er das Thema an und beschreibt die theologischen Hintergründe des germanischen/nordischen Heidentums und setzt sie auch in Beziehung zum Christentum. Im letzten Kapitel setzt er sich schließlich noch mit unseren ‚braunen Freunden‘ vom 3. Reich auseinander. Schädlingsbekämpfung mal anders….

 

Ich hoffe, dass ich diesen Beitrag nach und nach erweitern kann.

 

Ganz schön ruhig hier…

Hallo,

ich habe gerade beruflich sehr viel zu tun. Wir sind mit der Praxis umgezogen und ich habe ein neues Aufgabenfeld dazu bekommen und werde in den nächsten Jahren häufiger Fortbildungen für Erzieherinnen geben. Das ist mit ziemlich viel Vorbereitung verbunden, zumindest im Moment noch. Daher wird es wohl auch in den nächsten Wochen noch ruhig bleiben.

Euch allen ein ruhiges Imbolc und Brighids Segen!

Mittwinter: Gebet zum Sonnenaufgang

In dunstigem Grau liegt die Morgendämmerung über der Welt.

Nebelschleier verbergen, was sich nur noch erahnen lässt.

Ein Moment des Wartens, halb hoffend, halb bangend –

Ein tiefer Atemzug des Universums….

Und dann bricht die Sonne sich im Osten Bahn,

erst fahlgelb, dann immer mehr an Kraft gewinnend

vertreibt ihre Wärme die Nebelschwaden,

dringt ihr Licht in die Schatten vor.

Stück für Stück weckst du die Lebensgeister erneut,

holst die Natur aus ihrem Winterschlaf.

Wir baden in deinen Strahlen, Sonne,

und sehen voller Vorfreude dem Frühling entgegen.

Lied: Adventskranzlied – Wir zünden die Kerzen an

  1. Wir zünden 4 Kerzen an und ihr heller Schein

begleitet uns ins Dunkel der Mittwinterzeit hinein.

  1. Wir zünden 3 Kerzen an … (wie oben)

  2. Wir zünden 2 Kerzen an … (wie oben)

  3. Wir zünden eine Kerze an … (wie oben)

  4. Wir zünden keine Kerzen an, Mittwinter ist da:

Heute ist die längste Nacht und der kürzeste Tag!

6. Wir zünden alle Kerzen an und ihr heller Schein

begrüßt die junge Sonne nach der langen Dunkelheit!

 

Noten zum Download:

Wir zünden die Kerzen an – Adventskranzlied

 

In unserer Familie gibt es die kleine Tradition, dass wir seit einigen Jahren den Adventskranz ‚verkehrt herum‘ abbrennen. Wir starten am 1. Advent mit vier Kerzen und von Woche zu Woche werden es weniger, so wie auch das Tageslicht immer weniger wird. An Mittwinter schließlich bleibt der Kranz zunächst unangezündet, oder aber wir löschen bewusst die letzte Kerze. Erst bei der Mittwinterfeier zünden wir schließlich alle Kerzen wieder an, um die Rückkehr des Lichts zu feiern.

Wir singen das Lied aber auch morgens bzw. die entsprechende Strophe, wenn wir die Kerzen anzünden und gemeinsam nachlesen, was den heute im Adventskalender stand. Inzwischen singt der Große mit, was ich ganz toll finde.

Mir ist es wichtig, meinen Kindern ein paar Rituale mit auf den Lebensweg zu geben, weil ich merke, wie sehr mich die Rituale meiner Kindheit geprägt haben.

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Lied: Peace like a river

Peace like a river

Dies ist ein weiteres Lied für das Barden-Studium. Der Verfasser ist unbekannt. Der Gospelsound ist in der heidnischen Musik ja eher selten zu finden, daher ist dieses Lied ein echtes Schätzchen 😉

Falls jemand mitsingen möchte:

I’ve got peace like a river… in my soul

I’ve got joy like a fountain…

I’ve got love like a ocean…

I’ve got strength like an eagle …

 

 

Buchempfehlung: Niederrhein mit Kindern

Dieses Buch ist von Susanne Wingels, und wer sich schon mal geärgert hat, dass ähnliche Bücher sich vor allem mit dem nördlichen Ruhrgebiet zu beschäftigen scheinen, der ist hier gut aufgehoben. Die meisten Aktivitäten finden sich in den Kreisen Kleve und Wesel; einiges ist auch aus dem benachbarten Königreich vorhanden.

Die Palette reicht von Gratisangeboten bis hin zu Freizeitparks, vom Royal Air Force Museum in Weeze über den Naturlehrpfad Sieben Quellen in Nütterden bis hin zu Het Heijderbos in NL, Indoor und Outdoor. Wenn möglich sind Kontaktadresse, aktuelle Preise und Öffnungszeiten oder eine Internetadresse angegeben.

Sehr lohnenswert!

 

Niederrhein mit Kindern

Die Geschichte vom Drachen und den Leuten, die NEIN sagten

Die Geschichte vom Drachen und den Leuten, die NEIN sagten

von Birgit Reinartz

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein kleines verschlafenes Dorf. Den Leuten dort ging es ganz gut, sie lebten seit langer Zeit in Frieden mit den Bewohnern der Nachbardörfer, hatten im Herbst eine reiche Ernte und selten Probleme mit Überschwemmungen, Stürmen und Feuersbrünsten.

Eines Tages jedoch kam ein Drache geflogen, ein großer mit Schuppen und glühenden Augen und einem gepanzerten Schwanz, den er hin und her schwang. Er fand eine Höhle am Berghang oberhalb des Dorfes und richtete sich dort häuslich ein. Die Leute waren erst ein wenig besorgt, aber der Drache schien friedlich zu sein und griff sie nicht an. Nach und nach kamen ihn einige der Dorfbewohner besuchen. Sie setzten sich zu ihm an den Höhleneingang und lauschten ihm, wenn er von den heldenhaften Taten früherer Drachen erzählte. Er berichtete, wie seine Vorfahren die Dörfer beschützt hätten vor allen möglichen Gefahren. “Welche Gefahren?”, wollte ein kleines Mädchen wissen. “Nun ja, zum Beispiel vor den Leuten aus anderen Dörfern, die neidisch waren auf die guten Ernten und schönen Häuser.” “Ach”, meinte der Vater des Mädchens da, “Da haben wir keine Probleme mit.”

“Seid ihr euch da sicher?”, fragte der Drache listig. “Ich bin auf dem Weg hierher über ein Dorf geflogen. Der Fluss hat einen guten Teil der Felder bei der letzten Überschwemmung zerstört. Sie werden bald Hunger haben.” So säte er den Zweifel in den Köpfen der Leute….

Was können wir tun, wenn die anderen Leute kommen und uns um Hilfe bitten? Ein paar können wir sicherlich helfen, aber was, wenn es immer mehr werden? Sie werden unser Essen haben wollen, einen Platz zum Schlafen, vielleicht sogar Arbeit und, oh je, am Ende werden sie hierbleiben und gar nicht mehr weggehen! Wovon sollen wir dann leben?

Die Leute sprachen mit dem Drachen. Ob er wohl einen Rat wüsste? “Ich verstehe eure Sorgen gut”, sprach das Untier. “Wenn es in meiner Macht steht, will ich euch beschützen.” Das freute die Leute ungemein. “Natürlich”, fuhr der Drache fort, “kann ich weniger jagen gehen, wenn ich immer über euerm Dorf Wache halten soll. Ihr müsstet mich ein wenig entlasten und mir regelmäßig etwas zu essen bringen, damit ich bei Kräften bleibe.” Die Leute überlegten, und es schien ihnen ein geringer Preis für ihre Sicherheit zu sein.

Fortan brachte jeden Morgen eine Gruppe von Männern und Frauen dem Drachen Obst, Gemüse, Fleisch und Brot. Sie nahmen ihre Aufgabe sehr ernst. Jeder im Dorf sollte seinen Beitrag leisten. Die Drachenfütterer beschlossen, dass sie für die anderen besser zu erkennen sein wollten. Fortan trugen sie eine Armbinde mit einem Drachenkopf. Wenn sie an eine Tür klopften, mussten die Leute ihnen Lebensmittel geben. Als die ersten das verweigerten, weil sie meinten, dass sie schon genug gegeben hätten, brachen die Drachenfütterer in das Haus ein und räumten die Speisekammer leer.

Der Drache lebte in Saus und Braus. Nun forderte er auch Bier, Wein und Kuchen. Die Drachenfütterer brachten ihm, was sie kriegen konnten. Und es kamen nur wenig Leute von draußen in das Dorf. Doch langsam leerten sich die Vorratskammern.

“Was können wir tun?”, fragte einer der Drachenfütterer den Drachen. “Es wird immer weniger.” “Ich verstehe eure Sorge”, sprach der Drache. “Obwohl ich mir Mühe gebe, euch zu beschützen, essen euch die fremden Leute alles weg. Sie achten nicht eure Gebräuche und lassen sich von euch durchfüttern.” Er reckte seinen langen Hals in Richtung des Nachbardorfs. “Ihr müsst die Last nicht alleine tragen. Euerem Nachbardorf geht es gut. Holt euch doch dort, was ihr braucht. Sollen Sie auch ihren Beitrag leisten. Und dann vertreibt das unnütze Volk. Es gibt andere, die sich darum kümmern können.”

Das hielten die Leute für eine gute Idee und sie gingen zurück ins Dorf und erzählten den anderen, was der Drache gesagt hatte.

Nun gab es ein paar Leute im Dorf, die den Drachen nicht so toll fanden und das Ganze mit skeptischen Augen beobachteten. Sie hatten sich schon häufiger mit den Drachenfütterern angelegt. Jetzt aber, als sie diese Nachricht hörten, gab es kein Halten mehr. Eine alte Frau stand auf. “Als ich ein Mädchen war”, begann sie mit brüchiger Stimme zu erzählen, “da war unser Dorf von einem Waldbrand betroffen, weil ein Feuer außer Kontrolle geriet. Das Feuer hatte nicht nur die Ernte vernichtet, sondern auch alle Häuser zerstört und sogar die Dorfbrücke, die über den Fluss zu den Nachbardörfern führte, war verbrannt. Wir saßen in der Höhle, in der jetzt der Drache wohnt. Das ganze Dorf, alle, die dem Feuer entkommen waren, saßen dort oben zusammengepfercht und wir wussten nicht, wie es weitergehen sollte. Wir hatten kein Dach über dem Kopf, kein Essen, keine Zukunft. Viele waren verletzt worden auf der Flucht vor dem Waldbrand. Wir waren verzweifelt.

Da kamen Leute aus den anderen Dörfern an den Fluss. Sie sahen das Problem und sie halfen uns. Sie bauten ein Boot, und brachten uns Lebensmittel, Medikamente und Werkzeug. Sie halfen uns, eine neue Brücke zu bauen und neue Häuser. Und sie brachten uns etwas von ihrem eigenen Saatgut, damit wir unsere Felder wieder bestellen konnten. Es dauert eine Weile, aber schließlich ging es unserem Dorf wieder gut.”

Einer der Drachenfütterer erwiderte: “Na und? Das ist doch schon so lange her. Damit haben wir jungen Leute nichts mehr zu tun. Für uns haben die anderen nie etwas getan. Der Drache -”

“Der Drache”, unterbrach ihn die alte Frau, und ihre Stimme wurde immer lauter und kräftiger, “der Drache ist der Einzige hier, der überflüssig ist. Bevor er hier war, brauchten wir keinen Schutz vor unseren Nachbarn. Und seit er hier ist, frisst er den ganzen Tag. Von dem, was der Drache frisst, könnten wir das das Dorf problemlos ernähren!”

Nun standen auch einige andere auf. “Das stimmt.”, sagte der Bäcker. “Zwei Drittel meiner Brötchen gehen an den Drachen.” “Und jeden Tag ein Schwein oder eine Kuh!”, ergänzt der Metzger. “Ich erinnere mich noch gut an die Frau aus dem Nachbardorf, bei der ich ein paar Wochen gewohnt habe, bis meine Eltern unser Haus wieder aufgebaut hatten.”, sagt ein älterer Mann.

Die alte Frau nickt ihm zu. “Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber von mir kriegt das verfressene Vieh keinen Happen mehr. Und ihr Drachenfreunde könntet euch auch mal lieber nützlich machen, anstatt den ganzen Tag die Leute zu schikanieren!” Die Drachenfütterer wollten sie aus der Menge ziehen, aber da schlossen sich andere Dorfbewohner wie eine Mauer um sie.

“Sie hat recht!”, erklang es aus der Menge. “Wir haben uns das schon viel zu lange gefallen lassen.” Die Drachenfütterer sahen ihre Macht schwinden, und sie bekamen Angst. Sie flohen zum Drachen, aber die anderen Dorfbewohner bewaffneten sich mit Heugabeln und Sicheln und allem, was gefährlich aussah und machten sich auch auf den Weg zur Höhle.

Als der Drache sah, wie viele es waren, erkannte er, dass er sie nicht alle verbrennen konnte. Er breitete seine Schwingen aus und floh. Die Drachenfütterer waren ganz kleinlaut und schworen, dass der Drache sie verzaubert hätte und an allem Schuld sei. Die Leute jubelten und freuten sich, dass sie das Dorf von den üblen Wesen befreit hatten. Nie wieder, schworen sie sich.

Doch in den Tiefen der Drachenhöhle, dorthin, wo kaum ein Mensch hinkam, dort hatte der Drache etwas hinterlassen. Ein Ei, ein Drachenei war es, das dort im Dunkel darauf wartete, bsi seine Zeit gekommen sei. Dann würde ein neuer Drache schlüpfen und wer weiß, ob es dann jemanden geben würde, der NEIN zu ihm sagte…

 

 

Diese Geschichte kann man natürlich einfach so erzählen. Aber sie lässt sich auch gut in eine Kinderandacht einbauen. Wer mag, kann einen Vergleich zwischen dem Drachen und den Leuten und der Geschichte von Thor und der Midgardschlange ziehen, auch wenn die letztlich schlecht ausgeht für beide Parteien.

Als Kernarbeit lässt sich anschließend gut gemeinsam ein Drache ‚töten‘. Die Kinder können vorab jeder eine Lupe basteln als Symbol für die Wachsamkeit: Wo sieht man Unrecht, wo sehen die Kinder, dass der Drache sein Haupt hebt? Hier können die Kinder selber überlegen, was sie damit verbinden.

In der warmen Zeit kann man die Kinder anschließend mit Wasserpistolen ausrüsten, aufs Pflaster einen Drachen mit Straßenkreide malen (oder auf einen großen Bogen Papier, wenn kein bemalbarer Untergrund in der Nähe ist) und sie damit auf den Drachen schießen lassen. Ich bin zwar kein Freund von Waffen, aber hier geht es darum einen Drachen zu erlegen, und außerdem macht es den Kindern eine Menge Spaß. Das Wasser löst die Kreide auf und der Drache verschwindet.

Soll das Ganze drinnen stattfinden, kann man auf den Drachen auf Papier zurückgreifen und Holzschwerter in ihn hineinbohren oder ihn mit Bällen bewerfen, bis er kaputt ist.

Die Lupen nehmen die Kinder anschließend mit nach Hause, falls sie mal ein Drachenei sehen sollten 😉