Gebet zu Loki – auf besonderen Wunsch

In eine Welt von Eis bringst du das Feuer,

Loki!

Was zu erstarren droht,

erfriert in Konventionen,

versteinert in Korsetten,

weil es immer so war,

das bringst du in Bewegung.

Du,

dessen Element das Chaos ist,

sorgst dafür, dass sich Dinge verändern, wandeln.

Du

zerstörst die Sicherheit und Geborgenheit des vertrauten Rahmens,

aber so lernen wir neue Wege zu gehen,

neue Erfahrung zu machen,

neue Gedanken zu denken,

auszuprobieren, was wir uns sonst nie getraut hätten.

Ja,

das hat Konsequenzen:

Nicht alle Wege führen zum Ziel:

Manche sind eine Sackgasse,

manche führen in gefährliche Regionen.

Aber wüssten wir das, wenn nicht einer diesen Weg gegangen wäre?

Du,

mit deiner Sprachgewandheit,

deinem Sinn für Humor,

deinem flexiblen Geist,

deiner Toleranz gegen deine Mitgesellen,

ob Götter, Riesen oder Menschen,

du kanntest die Risiken,

und auch du musstest

die Konsequenzen tragen.

Dein Schicksal,

verwoben mit dem der Götter,

verwoben mit dem der Menschen,

und doch tanzt du zwischen allem

wie die züngelnden Flammen des Feuers.

Lehre uns Beweglichkeit,

Loki,

dass wir offen bleiben für Neues,

dass wir nicht in unserem Denken und unseren Gewohnheiten erstarren.

Nimm dafür unseren Respekt!

 

In English:

You bring the fire into a world of ice,

Loki!

What threatens to solidify,

to freeze in conventions,

to petrify in corsets,

because it has always been this way:

You get it into motion.

 

You,

whose element is chaos,

you make sure that things change, transform.

 

You

destroy the safety and comfort of our familiar frames,

that’s how we learn to walk new ways,

make new experiences,

think new thoughts,

try what we would have never dared to otherwise.

 

Yes,

there are consequences:

Not all paths lead to our destination.

Some are dead end streets,

some lead into dangerous regions.

But how would we know if not someone had walked this road?

 

You,

with your eloquence,

your sense of humour,

your flexible mind,

your tolerance towards the people around you,

whether gods, giants or humans,

you knew the risks,

and you had to suffer the consequences, too.

 

Your fate,

enmeshed in the fate of the gods,

enmeshed in the fate of humanity,

and still you were dancing between everything,

like the licking flames of fire.

 

Teach us your flexibility,

Loki,

that we may stay open for new things,

that we don’t freeze in our thinking and habits.

Take our respect for this!

 

Gottheiten der Woche 13: Sirona und Grannus

Sonne und Sterne

Licht im Licht, Licht in der Dunkelheit!

Warme Wasser der heilenden Quellen,

in die wir eintauchen!

Kühle Wasser der heilenden Quellen,

die wir trinken!

Sirona,

sternenbekrönte Göttin, ich grüße dich!

Grannus, sonnenumflorter Gott,

sei mir willkommen!

Sirona, aus den Tiefen der Erde

bringst du Heilung und Klarheit zu mir.

Grannus, deine Sonne spiegelt sich auf dem Wasser

und erfüllt mich mit Leidenschaft und Inspiration.

Kommt zu mir an mein Feuer,

teilt meine Quelle mit mir,

leistet mir Gesellschaft und lehrt mich,

was ihr mir lehren könnt.

 

In English:

Sun and stars,

Light in light, light in darkness!

Warm waters of the healing springs,

that we bathe in!

Cool waters of the healing springs,

that we drink of!

Sirona,

starcrowned goddess,

take my greetings!

Grannus, suncrowned god,

I welcome you!

Sirona,

from the depths of the earth

you bring me healing and clarity.

Grannus,

your sun reflects on the water

and fills me with passion and inspiration.

Come to my fire,

share my well with me,

enjoy my company and teach me

the lessions you can teach.

Gottheit der Woche 23: Hestia

Schart euch um ihr Feuer,

Götter, Geister, Menschen und Tiere!

Schart euch um sie,

die eure Mitte ist,

die euren Anspruch auf das Land bekräftigt,

die die Flamme am Leben erhält!

Hestia,

Erstgeborene,

ich heiße dich hier willkommen.

Du bist die ewige Jungfrau,

die mächtige Flammenträgerin,

ohne die kein Ritual komplett war.

Du warst deiner Macht so sicher,

dass du sogar deinen Anspruch auf einen Sitz im Olymp

zugunsten von Dionysus aufgeben konntest.

Stille, in dir ruhende Hestia,

mach mein Feuer zu deinem,

lehre mich deine Gaben,

und nimm dafür meine Geschenke an.

 

In English:

Gather around her fire,

gods and spirits, humanity and animals!

Gather around her, who is your centre,

who confirms you claim of the land,

who keeps the flame alive.

Hestia,

firstborn,

I welcome you here.

You are the eternal virgin,

the mighty flamekeeper,

without whom no ritual ywould have been complete.

You were so sure of your power

that you were able to give up your seat in Olymp

for Dyonisus.

Quiet, self-assured Hestia,

let my fire be your fire,

teach me your knowledge and take my presents in return!

 

Gottheit der Woche 16: Hypnos

Ich rufe den Sohn der Nacht,

den Bruder des Thanatos:

Hypnos,

Pausanias Epidotes,

sei mir willkommen an meinem Feuer.

Du, der Götter und Menschen gleichermaßen in den Tiefschlaf versetzt!

Freund der Musen,

Verbündeter von Hera,

Vater von Morpheus, dem Traumbringer!

Mohnblüten schmücken deinen Pfad.

Sie sollen meine Gabe an dich sein.

Komm an mein Feuer, Hypnos,

leiste mir Gesellschaft!

Schütte dein Füllhorn für mich aus

und lehre mich die Kunst zu schlafen.

 

In English:

I am calling the son of the night,

the brother of Thanatos:

Hypnos,

Pausanias Epidotes,

be welcome at my fire!

You, who brings deep sleep to gods and men alike,

friend to the muses,

ally of Hera,

father of Morpheus, the bringer of dreams!

Poppies embellish your path.

Let them be my present for you.

Come to my fire, Hypnos,

share my company,

open your cornucopia for me and teach me the art of sleeping.

Gottheit der Woche 19: Frigga

Da sitzt sie, die Wolkenweberin,

in Fensal am Feuer und schweigt.

Hüterin des Herdes,

du, die alles zusammenhält:

Wie schwer muss es für dich sein, zu wissen, was wird,

und trotzdem loszulassen, nicht einzugreifen.

Jede Mutter muss das irgendwann lernen,

aber selten ist die Lektion so schmerzhaft wie für dich,

als du zusehen musstest,

wie dein Sohn trotz aller Pläne starb.

Frigga,

als Falke kreist du über der Welt und wachst über die Familien.

Als Spinnerin webst du den Faden, den die Nornen im Schicksalsnetz verweben.

Als Frau von Odin sendest du deine Dienerinnen aus in alle Welt.

Himmelskönigin,

sei an meinem Feuer willkommen

und schenke mir deinen Segen.

Nimm von mir an, was ich dir zu bieten habe.

 

In English:

There she sits, the weaver of clouds,

at her fire in Fensal and doesn’t say a word.

Keeper of the hearth,

you who holds everything together:

How hard must it be for you

to know what will be

and still let go and not to interfere.

Every mother has to learn this at some time,

but rarely the lesson has been so painful as it was for you,

when you had to see your son die

despite of all your plans.

Frigga,

as a falcon you are circling above the world, keeping an eye on the families.

As a spinster you create the thread the Nornes weave into the web of life.

As Odin’s wife you send out your servants all over the world.

Queen of heaven,

be welcome at my fireplace

and give me your blessings.

Take what I can offer you.

 

Iris und der Regenbogen

Eines Tages gab es einen heftigen Streit zwischen zwei griechischen Stadtstaaten um einen Grenzstein. Jeder Staat behauptete der andere haben den Stein zu seinen Gunsten verschoben. Ein Wort gab das andere, und so drohte bald ein Krieg.

Hera, die Göttin der Ehe und Familie, hatte einige Lieblinge in beiden Städten, die ihr sehr am Herzen lagen. Sie sah die Entwicklung mit großer Sorge, denn sie wusste, wie viele Familien in beiden Orten lebten. So viele Ehen würden zerstört, so viele Familien auseinander gerissen! Das konnte sie so nicht zulassen.

Also schickte Hera ihre Botin Iris mit einer Nachricht zu den Stadtvätern. „Die Göttin Hera lässt euch sagen, dass ihr die Situation überdenken sollt! Einen Krieg heißt sie nicht gut, und sie würde es euch sehr übel nehmen, wenn ihr ihren Wunsch missachten solltet!“

Das löste einiges Stirnrunzeln auf beiden Seiten aus. Hera war immerhin die Frau von Zeus und eine mächtige Göttin. Sie zu verärgern konnte nicht gut sein! Niemand wollte Stress mit den Göttern!

„Aber was sollen wir tun?“, fragten sich die Räte in beiden Orten. „Die anderen haben angefangen. Wir können nicht zulassen, dass sie ihren Willen bekommen. Wer sollte uns dann noch respektieren?“

Iris seufzte leise in sich hinein. Immer das Gleiche….

„Hera verlangt nicht, dass ihr einfach so aufgebt. Aber sie bittet euch darum, die Gaben zu nutzen, die ihr von den Göttern erhalten habt.“

„Welche Gaben?“, fragte ein dicker Rat, der sich zu fragen begann, wie groß seine Lebensmittelvorräte wohl sein mochten, und ob sie für einen Krieg ausreichen würden.

Es war ein warmer, sonniger Tag, und die Sitzung fand im Innenhof des Hauses eines der Räte statt. Dort stand auch ein wunderschöner Springbrunnen, der sein Wasser in kleinen Stößen in die Luft spie. Iris trat zum Brunnen und hielt ihre Hand mit der Innenfläche nach oben ins Wasser.

Ein roter Strahl erschien und krümmte sich von ihrer Handfläche fort zu den Ratsmitgliedern, die erschrocken zurückwichen.

„Die Götter gaben euch Liebe und Fruchtbarkeit. Ihr seid ein großes Volk mit reichen Feldern und einem gut besuchten Hafen. Eure Paare erfreuen sich der gegenseitigen Zuneigung und ihr habt zahlreiche Kinder, die die kommende Generation sichern.“

Ein zweiter Strahl erschien unter dem ersten, diesmal in orange.

„Die Götter gaben euch Freude. Fast täglich findet irgendwo in der Stadt ein Fest statt. Ihr keltert einen hervorragenden Wein und genießt das Leben in vollen Zügen.“

Dabei zwinkerte sie dem dicken Ratsherrn zu, der prompt errötete.

Ein dritter Strahl erschien, leuchtend gelb wie die Sonne:

„Die Götter schenkten euch Erfolg, Willenskraft und Ausdauer. Eure Geschäfte gehen gut und Armut hat in eurem Ort keinen Platz. Eure Häuser sind groß, eure Frauen mit teurem Schmuck bekleidet.“

Der Ratsherr, dem das Haus gehörte, nickte leicht.

Ein vierter Strahl gesellte sich zu den anderen, nun ein grüner Strahl:

„Die Götter schenkten euch Gesundheit und Heilung. Wie viele Jahre ist er her, dass eure Stadt von einer Seuche heimgesucht wurde. Eure Kinder werden groß und stark, und eure alten Leute altern in Würde, statt dahinzusiechen. Die Heilquelle am Apollotempel findet regen Zuspruch.“

Ein fünfter Strahl in tiefem Blau kam hinzu, und Iris sprach schnell weiter:

„Verstand schenkten euch die Götter, und Kreativität. Es sind keine Dummköpfe, die hier sitzen, und eure Stadt ist erfüllt von den schönsten Künsten, die man sich denken kann. Statuen, Brunnen, Gemälde findet man an jeder Ecke, dazu diskutierende Philosophen, Sänger, Tänzer und Schauspieler, die die Sinne erfreuen.“

Ein Murmeln setzte ein, verebbte jedoch, als Iris weitersprach und einen violetten Strahl dem blauen hinzufügte:

„Die Götter gaben euch Visionen. Ihr, die ihr hier sitzt: Wo seht ihr eure Stadt in einigen Jahren? Wie stellt ihr euch eure Zukunft vor? Was wird man später über euch sagen?“

Ein Regenbogen spannte sich von Iris’ Hand aus den versammelten Räten entgegen, voller Verheißungen. Die Räte starrten darauf, und keiner traute sich, laut etwas zu sagen. Schließlich fasste sich der älteste und erwiderte der Göttin:

„Herrin Iris, wir haben eure Worte gehört und sie waren weise. Wir werden uns noch einmal beraten und sicher eine Lösung finden, die alle Seiten zufrieden stellt.“

Iris lächelte fein. Ein goldener Strahl schoss aus ihrer Handfläche und webte feine, fast unsichtbare Spiralen um die anderen Bögen. Der Regenbogen wurde größer und größer: Er dehnte sich aus, bis er sich schließlich über der Stadt spannte und sein eines Ende wies in die Richtung des anderen Staates.

„Das wird Hera sehr freuen, und mich auch. Ich lasse euch diesen Bogen zur Erinnerung an den Segen, den ihr erhalten habt und der euch weiterhin zuteil wird. Und zur Erinnerung daran, was ihr mit diesen Gaben Sinnvolles anfangen könnt.“

So geschah es in beiden Städten: Beide Räte kamen erneut zusammen, Unterhändler trafen sich, Verhandlungen wurden geführt und schließlich erhielten die einen einen Wald, der ihnen sehr zusagte, die anderen gute Bedingungen für die Hafenzölle und auf dem Gebiet, um das man sich gestritten hatte, bauten beide Staaten gemeinsam einen Heratempel.

Der Regenbogen verblasste nach einer Weile, aber bei jedem größeren Regen hielten die Bewohner beider Städte danach Ausschau und dachten, wie viel Glück sie doch gehabt hatten.

 

Ich mag Regenbögen. Ich weiß, dass es sich um ein meteorologisches Phänomen handelt, aber sie lassen sich so schön symbolisch benutzen, und den Menschen vergangener Tage sind sie sicher wie ein kleines Wunder erschienen.

Indoor-Alltagsschrein

Lange Zeit habe ich es abgelehnt, mir im Haus einen Schrein zuzulegen. Nachdem wir umgezogen waren, fehlte es mir einfach an dem richtigen Platz dafür, und außerdem habe ich ja draußen meinen Nemeton für Rituale. Seit Dezember habe ich jetzt aber ein Plätzchen, das mir zusagt. So sieht er derzeit aus bzw. rund um Mittwinter:

Ein Schraubglas mit Wasser aus aller Welt ist meine Quelle, drei kleine Teelichter repräsentieren das Feuer mit  einer Muschelschale zum Räuchern dabei (wobei das schwierig wird, denn über dem Schrein ist der Rauchmelder *g*). An der Vase mit der saisonalen Deko lehnt eine Gebetskarte, die je nach Bedarf wechseln kann. Das Holzschälchen dient als Opferschale. Links steht die Jahreskerze mit dem Runensäckchen davor. Darauf liegt die an Silvester gezogene Jahresrune für 2018. An der Rückwand sind Symbole für die Kindred angebracht. Darüber steht ein dreifacher Kerzenhalter, und daneben jeweils ein Bäumchen: Rechts der Bonsai, den ich gelegentlich bei Ritualen im Haus als Baum verwendet habe, links der Walnussbaum, der aus der Kernarbeit an Mabon 2017 hervorgegangen ist.

Die neue Jahreskerze

Jedes Jahr erstelle ich eine Kerze, die uns im Verlauf des Jahres begleitet. Ich zünde sie an, wenn jemand krank ist, an Geburtstagen, Hochfesten, wenn es daußen mal wieder ordentlich stürmt, usw.

Dieses Jahr zeigt die Vorderseite oben ein Motiv von Ian Corrigan, nämlich oben das Rad für den Himmel, in der Mitte die Halle des Lugh für diese Welt und unten die Spirale für die Unterwelt. Die Rückseite habe ich einfach oben mit einem Feuerstreifen und unten mit Wasser verziert.

 

Gottheit der Woche 38: Tamfana

Alles hat seine Zeit:

Es gibt eine Zeit des Säens und eine Zeit des Erntens.

Es gibt eine Zeit des Regens und eine Zeit des Sonnenscheins.

Es gibt eine Zeit des Wachsens und eine Zeit des Reifens.

Es gibt eine Zeit des Arbeitens und eine Zeit des Ruhens.

Es gibt eine Zeit des Planens und eine Zeit um Bilanz zu ziehen.

Es gibt eine Zeit des Bittens und eine Zeit des Dankens.

Diese Zeit ist nun gekommen.

Tamfana, du, die die Zeit bemisst,

ich grüße dich und heiße dich an meinem herbstlichen Feuer willkommen.

Jetzt, wo die Ernte nahezu eingefahren ist, bitte ich dich:

Lehre mich dein Wissen

und nimm dafür meine Geschenke an!

Tamfana wird in verschiedenen etymologischen Analysen unterschiedlich gedeutet: mal als Herrin der Fülle/Ernte, mal als Herrin des Zeitmaßes. Beides passt zur Tagundnachtgleiche im Herbst. Entsprechend wäre ihr Gegenpart Nerthus. Wenn ihr genau hinschaut, stellt ihr fest, dass die beiden Gebete hier auch ein Paar darstellen. Und wer sich an einen Psalm erinnert fühlt – nun ja, auch als Heide kann man Anleihen bei der Konkurrenz machen. Ist ja nicht immer alles schlecht, ne 😉

In English:

There’s a time for everything:

A time to sow and a time to harvest.

A time for rain and a time for sunshine.

A time to grow and a time to ripen.

A time to work and a time to rest.

A time to make plans and a time to take stock.

A time to ask for something and a time to thank.

Now is this time.

Tamfana, you who measures time,

I greet you and welcome you to my autumnal fire.

Now, that the harvest is almost done,

I ask you: Teach me your knowledge

and take my presents for you in return.

 

Etymology sees Tamfana sometimes as the goddess of bounty/harvest, sometimes as the goddess who measures time. Both explanations are suitable for the autumn equinox, which makes her a perfect counterpart for Nerthus. If you check both prayers here in this blog you’ll find that those are a pair, too.

And should this remind you of a certain psalm –  well, you can get inspired by the works of other religions, even as a pagan. Sometimes it’d be stupid to reinvent the wheel.